Freitag, 7. August 2015

Eine Nacht

Dunkel ist es innerhalb von einer halben Stunde. Energiesparlampen erhellen die Gebäude am Rande der Hauptstraße. Um diese Zeit werden die Straßenstände aufgebaut. Rolex und Chapati, Fleischspieße und Chips. Tagsüber sind sie nicht mehr gewollt. Sie würden die Stadt verschmutzen. In Kampala soll es sogar bald keine Boda-Bodas mehr geben.
Hier in Luwero sind noch viele Menschen abends auf der Straße. So auch ich. Wasserholen. Mit zwei Kanistern in den Händen überquere ich die Straße. Gar nicht so einfach mit den Gewichten, Flip-Flops und teilweise matschigem Boden. Nach einigen Metern eröffnet sich der Blick zwischen zwei Hauswänden auf unseren Innenhof. Kinder spielen, Frauen kochen. Durch die weißen Vorhänge unserer Wohnung fällt warmes Licht. Mein neues Zuhause. 




Mit Lotti bin ich im Februar umgezogen. In eine eigene kleine 20qm Wohnung. Und es hatte sich schon nach einer Woche gelohnt. Hier kochen wir, was wir gerne essen, richten sie nach unserem Geschmack ein, strukturieren unseren Tag wie wir es mögen und können endlich Freunde zu uns einladen. Es war eine Befreiung. Natürlich entfernte sich unser Lebensstil vom Ugandischen. Aber das war auch gut so.




In dieser Nacht kann ich nur schwer einschlafen. Zu viele Gedanken kreisen durch meinen Kopf. Eindrücke tauchen auf, die noch darauf warten verarbeitet zu werden. Ein letztes Mal drehe ich meinen Kopf weg vom kratzigen Moskitonetz. Da wird er schwer und ich verliere mich in der Dunkelheit.




Trommelgeräusche tönen durch den Bergwald. Gutturale Schreie. Ich rieche den frischen Kot, dem ich auf der Pirsch durch den Schlamm nur knapp ausweiche. Aber jetzt sind wir ganz nahe. Mein Puls rast. Da krachen vor uns die Äste und etwas großes Dunkles landet vor uns auf dem Weg. Jetzt erkenne ich mehr. Behaarte Arme. Einen Kopf. Einen silbernen Rücken. Wir sind nur wenige Meter von einem Berggorilla entfernt. Ein Glücksgefühl überkommt mich. Alle von uns hatten die Ahnung, dass so etwas passieren würde. Auch wenn wir nur den Nature Walk auf einer fixen Route gebucht hatten. Die Gorilla-Permit von 750 US-Dollar lag einfach nicht in unserem Budget. Doch trotzdem können wir es kaum wahrhaben. Das ist definitiv der Höhepunkt unserer Reise durch Ruanda. Mit Lotti, Miri und Joël hatte ich mich im Juni auf dieses Abenteuer eingelassen. 




Und solch eine Reise tat uns sehr gut. Einmal raus aus seinem Alltag und auf zu den wunderschönen Orten Ostafrikas, durch welches wir uns alle mittlerweile schon unheimlich souverän bewegen. Der einzige Ausländer zu sein ist Alltag, kein Markt zu unübersichtlich, kein Buspark zu hektisch. Eigentlich. 
Plötzlich finde ich mich wieder in einem ohrenbetäubenden Lärm und nur knapp weiche ich einem Motorrad aus, welches 10 Bananenstauden geladen hat. Nur um das Ärgernis eines Taxifahrers hervor zu rufen, der seinen Minibus gerade durch einen nadelöhrschmalen Spalt zwängen will, in dem ich stehe. Da haben sie mich entdeckt. Hunderte Bodafahrer und Taxi-Conductor rufen „Muzungu“, greifen nach meinem Arm, reißen an mir und ziehen mich in ein undurchdringliches Gewühl. Mir wird schwarz vor Augen. 



Gerade so kann ich mich aus diesem Alptraum retten. Die Finsternis lichtet sich. Vor mir bildet sich eine weiße Fläche. Eben. Ein schwarzes Raster. Fliesen. Ich befinde mich in einem OP-Saal. Dem OP-Saal des Bishop Caesar Asili Hospitals. Im Mai hatten Lotti und ich uns dazu entschieden noch in diesem zweiten Projekt zu arbeiten. 
Das St. Mary’s Health Centre hatte mich mit der Zeit ermüdet. Es gab einfach keine Herausforderung mehr. Unsere Motivation schwand. Aber auch das Krankenhaus hatte mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Das vorherrschende Thema war Geld. Noch kurz zuvor war es so einfach gewesen eine Request an den Hauptstandort der Organisation zu schreiben und das Geld kam. Aus dem unerschöpflichen Topf der Spender. Doch nun machten sich Anschuldigungen breit. Mitarbeiter wurden ausgetauscht und nach Möglichkeiten gesucht die Anzahl der Patienten zu erhöhen, oder gar zu halten. Denn es wurden merklich weniger. 
Nun arbeiten wir dort nur noch drei Tage und dafür im Bishop Asili zwei Tage die Woche. Hier gibt es neben drei OP-Sälen auch eine große Kinderstation, eine weitere große Bettenstation, aufgeteilt in Frauen- und  Männertrakt sowie allgemeine und chirurgische Fälle, eine Geburtenstation, ein Labor inklusive Blutbank, ein Ultraschall- und ein Röntgengerät. Vom ersten Tag an konnte ich hier neue Erfahrungen sammeln. Die Geschlechtsbestimmung eines Feten im Ultraschall. Einen Kaiserschnitt. Wundversorgung. Bluttransfusion. Zugänge legen… Da verschwindet das schwarze Raster. Es wird gleißend hell. Und ein Kopf schiebt sich vor die Lichtquelle. Die Person trägt einen grünen Mundschutz. Mein Bewusstsein schwindet.



Ich befinde mich in der grünen Natur. Die Vögel zwitschern und der Wind lässt sanft die Blätter rauschen. Die Sonne scheint intensiv und lässt das Grün der Pflanzen und das Rot der Erde besonders kräftig erscheinen. Ich folge einem Pfad zwischen Maisfeldern und Maniokpflanzen. Unter einem Mangobaum befinden sich ein paar rotbraune Hütten. Davor hat jemand ein paar Strohmatten ausgebreitet auf denen eine Gruppe älterer Frauen platzgenommen hat. Sie lauschen einem Mann in dicker Motorradjacke. Er winkt mich zu sich. Es handelt sich um Ibrah einen Sozialarbeiter aus dem St. Mary’s Krankenhaus. Er bedeutet mir mich zu setzen. 




Nach einigen Mühen verstehe ich, dass es sich um eine Spargruppe handeln muss. In Gruppen von etwa 30 Teilnehmern, meist Großmüttern, wird sich in regelmäßigem Abstand getroffen und Geld in einen gemeinsamen Topf eingezahlt. Nun gibt es die Möglichkeit für die Teilnehmer einen Geldbetrag für eine anstehende Investition aus der Kasse zu leihen und diesen in festgelegten Raten und einer festgelegten Verzinsung zurückzuzahlen. Solch ein Kredit wird jedoch zuerst in großer Runde diskutiert, bevor er genehmigt wird. Projekte wie diese leitet Ibrah unter anderem in der Umgebung Luweros an. 






Nachdem die Sitzung beendet ist, nimmt er mich mit auf seinem Motorrad. An einem großen Haus bleiben wir stehen. Unter Gejohle laufen uns Kinder entgegen. Dann erscheint im Türrahmen die Herrin des Hauses. Sie ist ebenfalls eine der vielen Großmütter, die von den Projekten des Krankenhauses profitieren. Es ist nicht unüblich, dass den Großmüttern Kinder der Familie übergeben werden. Die Großväter leben schon lange nicht mehr. So arbeiten die Frauen bis ins hohe Alter auf dem Feld um die ihnen anvertrauten Kinder zu versorgen. 




Die Gesellschaftsstruktur ist in dieser Region durch den Krieg vor 30 Jahren besonders geprägt worden. Damals versteckten sich die Rebellentruppen des jetzigen Machthabers Museveni im sogenannten Luwero-Dreieck, wo erbitterte Kämpfe gegen die Armee Obotes entbrannten. Uns wurde erzählt, das von Museveni in Luwero die ersten Kindersoldaten eingesetzt wurden. Ausgebildet zu gefühllosen Kriegern. Kaum einer überlebte ohne Schaden. 
Von den Kindern wird uns nach einem kurzen Besuch eine Jackfruit frisch vom Baum gebracht. Die wohl größte Frucht, die ich je gesehen habe.




Unser Weg in das Zentrum Luweros führt uns vorbei an hohen Ziegeltürmen und aufgeworfener Erde. Hier werden Ziegel gebrannt. Kaum jemand baut noch mit Lehm und Stroh. Feuchte Lehmerde wird in Formen gefüllt und die entstandenen Ziegel in der Sonne getrocknet. Dann formt man hohe Türme in deren Basis große Löcher freigelassen werden. Dort wird Feuer gelegt. So werden die Ziegel gebrannt. Dies ist eine Tätigkeit, die äußerst wenig Startkapital erfordert. Vielen bietet sich so eine einfache Einnahmequelle.




Entlang der Straße liegen einige kleine Gärtnereien. Durch Überdachung von der Witterung geschützt sieht man kleine Setzlinge in Plastiktüten stecken. Genauer gesagt in Schnapstüten. Hunderten. Aufgesammelt von der Straße. Der billigste Schnaps wird nämlich in Tüten verkauft. Nicht selten sieht man Männer mit stierendem Blick mit solch einer Tüte am Straßenrand. In unserer Bekanntschaft sind Gelegenheitstrinker äußerst selten. Entweder jeden Abend oder überhaupt nicht. Entweder zu verlockend oder zu abschreckend.




In noch einiger Entfernung erblicke ich weiße Zelte an der Straße. Dort findet bestimmt eine Introduction statt.
Ich erinnere mich noch gut an die Weihnachtszeit, als gesagt wurde nun sei die große Zeit der Introductions und wir wurden zu keiner einziger eingeladen.So kann es passieren, dass man von den Vorgängern erzählte Geschichten ebenfalls erwartet. Doch glücklicherweise bot sich uns gegen Ende des Jahres noch zweimal die Gelegenheit solch ein traditionelles Fest zu besuchen.
Es wird in Uganda gefeiert wenn eine Frau und ein Mann heiraten wollen. Im Verlaufe der Feier bei der Familie der Frau werden sich die jeweiligen Familien vorgestellt und der Brautpreis übergeben. Die Feier ist verbunden mit viel Musik, noch mehr Essen und noch viel mehr offiziellen Reden. Neben Matooke wird hier traditionell in Bananenblättern gekochtes Hühnchen (Luwombo) gereicht. Außerdem tragen die Frauen einen Gomez, ein Kleid mit breitem Gürtel und spitzen Schultern, und die Männer einen Kanzu, ein weißes Gewand, und eine Anzugsjacke. Solch eine Introduction nimmt immense Ausmaße an, mit hunderten von Besuchern. Kein Wunder warum man sich solch eine Introduction zweimal überlegt. Es entstehen riesige Kosten und eine Scheidung ist nach der Benennung an solch eine Öffentlichkeit längst nicht so einfach.
Ich sehe mich wieder unter den weißen Zelten Sitzen, mit halbtauben Ohren, dem pflanzlichen Geschmack der Matooke noch auf der Zunge und ihr Gewicht im Magen, schwitzend und doch beeindruckt von solch einem Fest.




Meine Reise geht weiter. Auf der selben Straße, diesmal in einem Taxi (Minibus). Von Luwero geht es nach Kampala.Mühsam versuche ich etwas durch das Fenster zu erspähen. In Embryonalstellung. Die Decke zu niedrig. Auf dem Boden Säcke mit Handelsgütern. Trotzdem ist es eine wunderbare Transportart. An der Straße wartet man kaum eine Minute und schon hält ein Taxi. Man sitzt neben dem Bauer dem die zwanzig Hühner auf dem Dach gehören und dem Geschäftsmann mit dem neuesten Smartphone. Dann spült es uns in die Straßen Kampalas. Downtown. Es herrscht ein Verkehrsinfarkt. Riesige Lastwägen werden entladen. Kisten auf den Köpfen getragen. Der Bürgersteig ist überfüllt mit Trägern, Verkäufern und Passanten. Es werden geschnittene Mangos und Orangen angeboten. Aber auch ein besonderes poröses Gestein. Der Renner unter Schwangeren. Als Nahrungsergänzungsmittel.
Zum Bürgersteig hin öffnen sich hunderte kleiner Läden. Stoffe. Garantiert echte Iphones. Raubkopierte Filme. Und immer wieder öffnen sich Gänge in das innere der Gebäude. Ich finde mich wieder in Kellergewölben, auf Balkonen, in Nebenstraßen.



Auf einmal verengen sie sich. Sie bilden schmale Gässchen. Weiß getünchte Balkone spannen sich über die Straße. Da sind kunstvoll geschnitzte Türen. Weiße Zinnen. Es riecht nach Meer. Das muss Stonetown auf Zanzibar sein. Aus dem Labyrinth der Gassen zeigt sich ein Ausgang. Er führt hinaus in ein heilloses Durcheinander. Muslimisch gekleidete Menschen wirken geschäftig. Dazwischen Touristen in Hotpants und mit Sonnenbrille. Überall Rufe. Und überall Köstlichkeiten. Dattelberge. Duftende frische Brote. Cardamonkekse. Eisgekühlter frischgepresster Zuckerrohrsaft. Die exotischsten Früchte. Hunderte Gewürze. Die Nelkeninsel. Grüne Kokosnüsse. Und Fisch. Bunter schillernder glitschiger Fisch. Genauso wirkte Zanzibar bei unserer Ankunft auf mich. Nach einer anstrengenden zweitägigen Busreise von Kampala über Nairobi (Kenya) nach Dar es Salaam (Tanzania) und einer Fahrt mit der Fähre auf die Insel waren Lotti und ich endlich an dem Ort angekommen an dem wir unsere Silvesterferien verbringen wollten. Doch Stonetown war nicht das einzige was Zanzibar zu bieten hatte. Weiße Strände und türkisblaues Meer erwarteten uns an der Ostküste. 
Was mich besonders beeindruckt hat war die allgegenwärtige Kultur. Dieser arabische Einfluss, der all die Farben, Gerüche und das Leben prägte. Eine Kultur, die ich leider hier in Luwero häufig vermisse. Meine Vorstellung von ungewohnten Klängen, beeindruckenden Bauwerken, besonderen Geschmackserlebnissen und unbekannten Traditionen hat sich in Luwero kaum bestätigt. Das war definitiv eine große Ernüchterung. Umso mehr genossen wir diese Reise. Stundenlang schwelge ich in den Gedanken an die vielfarbigen Erinnerungen.



Plötzlich flimmern Filmfetzen durch meine Erinnerungen. Sie handeln von einer Maid, die das Kind ihrer Arbeitgeber misshandelt. Ungefähr vor acht Monaten wurde dieses Video überall in den Nachrichten gezeigt und ein Aufschrei ging durch die Bevölkerung.
Fast jede etwas überdurchschnittliche Familie in unserer Umgebung hat hier ein Hausmädchen. In Lottis und auch meiner Gastfamilie gab es eine Maid. Die Maids sind meist junge Frauen mit Kind aber ohne Mann. Ihre Schulbildung können sie dann meist nicht mehr weiter verfolgen und so werden sie für Unterkunft, Verpflegung und einen winzigen Lohn bei Familien angestellt. Sie waschen, putzen, kochen und passen auf die Kinder auf. Doch könne man ihnen jetzt noch trauen? Erst später stellte sich die Frage was wohl der Auslöser für die Tat war…



Mein Körper wird durchgeschüttelt. Ich halte mich krampfhaft am geöffneten Autodach fest. Die Augen schmerzen vom stundenlangen angestrengten Suchen. Knapp an einem Termitenhügel vorbei geht es nun abseits des Weges durch das Gras. Die Sonne brennt auf die Savanne. Wir nähern uns einer Buschgruppe.
Da bremst unser Fahrer und deutet auf etwas, dass unter einem der Büsche liegt. Mein Adrenalinspiegel steigt, Es ist eine Löwin. Sie blickt in unsere Richtung und gähnt. Dann bettet sie ihren Kopf wieder auf ihre Pfoten. Wir fahren langsam weiter und der Blick wird frei auf die beiden Löwenjungen, die hinter ihr liegen. Dies ist das Highlight des Tages. Wir befinden uns in dem größten Nationalpark Ugandas, dem Murchison Falls Nationalpark. Er wird einmal quer vom Nil durchkreuzt. Seine Natur ist unglaublich vielfältig. Hier findet man Regenwald, Grasland, Busch- und Baumsavanne und nicht zu vergessen die namensgebenden Murchison Wasserfälle des Nils. Diesen Park haben wir mit Lottis Familie zuerst besucht und wenige Monate später mit meiner Familie ein zweites Mal. Hier sahen wir Elefanten, Herden unzähliger Antilopen, majestätische Giraffen, schlammbesuhlte Büffel, aufgeschreckte Warzenschweine, auf der Lauer liegende Leoparden, Krokodile mit offenem Maul, kreisende Adler, fressende Geier, gähnende Krokodile, ruhende Löwen, tanzende Kraniche, spielende Stummelaffen, sich lausende Paviane und sogar Schimpansen, denen wir durch den Wald folgten.
Es ist ein wahres Tierparadies. In freier Wildbahn.



Mein Schlaf wird plötzlich unruhiger. Es liegt an dem Thema, das behandelt werden will.
Allerlei menschliche Begegnungen stellten mich in diesem Jahr auf die Probe. Doch eine große Schwierigkeit kam von ganz unerwarteter Seite. Wir vier Freiwilligen unterschieden uns schon von Anfang an in zwei Gruppen: uns beiden frischen Abiturienten, die aus dem Elternhaus kamen und Leonie und René, welche schon älter waren und es gewohnt alleine zu wohnen. Doch auch darüber hinaus waren wir ganz unterschiedliche Typen. Zwischen den beiden Gruppen gab es nur selten Momente der Einheit. Wir sollten auch nicht mehr die Möglichkeit haben uns mehr einander anzunähern, denn nach einigen sehr schlechten Erfahrungen verließen Leonie und René Uganda nach kaum einem halben Jahr. Dieses Kapitel des Freiwilligenjahres verursacht mir noch immer Bauchschmerzen. Im Halbschlaf versuche ich eine bequemere Position zu finden. 



Mit Weihnachten in Luwero verbinde ich eine wirkliche Phase der Heimweh in meinem Freiwilligenjahr. Mit der Weihnachtszeit in Köln sind einfach zu viele wunderschöne Erinnerungen verknüpft. Mit einiger Anstrengung gelang es uns aber dann auch hier eine weihnachtliche Atmosphäre zu schaffen. 
Schon vor Heiligabend waren wir bei zwei Weihnachtsfeiern eingeladen. Zunächst im Hope Zentrum in Kasaala. Einer Kinderbetreuung, getragen von deutschsprachigen Freiwilligen. Ein weiß angemalter Ugander mit angeklebtem Bart, rotem Umhang und Mütze verteilte Süßigkeiten und Spielsachen, geschickt von einer Sparkasse in Bad Tölz. Es gab Matooke (Kochbananen), Reis, Rindfleisch und „greens". Ohrenbetäubende Musik. Viele glückliche Kinder warfen Luftballons in die Luft und tanzten mit erstaunlich gekonntem Hüftschwung. Der Weihnachtsmann in der Mitte. Er musste bestimmt schwitzen.




Und dann war da noch die Weihnachtsfeier von St. Mary’s. 
Es wurde gewichtelt. Ich bekam ein Buch mit dem Titel „positive thinking“. Es gab Matooke, Reis, Rindfleisch und „greens“. Und es wurde zu lauter Musik getanzt. 
Heiligabend war anders. 
Lotti und ich schnitzten aus Feuerholz eine Krippe, die wir mit Bananen- und Jamsblättern verzierten. Außerdem hatten wir unabhängig voneinander Kerzen gekauft und sie aufgestellt. Eine Jamspflanze war unser Weihnachtsbaumersatz. Wir wohnten noch in den Gastfamilien und feierten bei mir. Kochen konnten wir also nicht. Daher gab es Rolex. Den besten Luweros. Und danach Bescherung. Beide hatten wir unter unseren Geschenken ein Nutella-Glas. Im Kerzenschein skypten wir in die Heimat. 




Da in Uganda am 25. Dezember Weihnachten gefeiert wird, erwarteten uns die Feiern in den Gastfamilien am nächsten Tag. Schon früh am morgen begannen wir in Lottis Gastfamilie mit den Vorbereitungen für Pizzen, die wir backen wollten.  Danach gingen wir in die Kirche. Die Weihnachtsmesse in Uganda wollten wir uns doch nicht nehmen lassen. Meine Erinnerungen sind nicht mehr besonders deutlich. Es waren viele Menschen in der schönsten Kleidung. Die Gesänge waren besonders kraftvoll. Doch es ging vermutlich vielen so wie uns, dass sie ein aufwendiges Essen zu Hause gelassen hatten, an welches sie denken mussten. Es ist nämlich üblich, dass jede Familie sich in ihren Ursprungsorten versammelt um dort mit einem riesigem Mahl den Festtag zu feiern. Nachdem auch wir von der Kirche zurückgekehrt waren und unser Produkt des Kulturaustausches verzehrt hatten, ging es wieder zurück zu meiner Gastfamilie. Auch dort wurde schon eifrig gekocht, nur mich schlug eine plötzliche Entkräftung, weshalb ich den restlichen Tag im Bett verbachte. Von dort aus hörte ich durch den Vorhang meiner Tür all den Geräuschen zu, die von geschäftigen glücklichen Menschen verursacht werden. Mit diesen Gedanken gelingt es mir in den Schlaf zurückzufinden.



Das Schreien eines Kindes ertönt. Eines Neugeborenen. Ein wunderbares Erlebnis. Ein neuer Mensch ist auf der Welt, ein Mensch mit individuellen Eigenschaften. Und einem Namen der ihn durch sein Leben begleiten wird. Lotti und mir wurde die Verantwortung diesen Namen zu wählen zweimal übertragen. Lucia und Emmanuel. Dies waren wohl die tiefsten Spuren die wir hinterließen. 


Emmanuel

Die Bilder der schlafenden Säuglinge werden untermalt von „Penny Lane“ der Beatles. Es dauert ein paar Momente bis ich realisiere, dass dies der Wecker ist. Ein neuer Tag beginnt. Einer der letzten Tage in meinem Freiwilligendienst. Nun heißt es all die Eindrücke meiner Umgebung noch ein letztes Mal ganz bewusst wahrnehmen.




(sämtliche Fotos sind von der Lotti und von mir)

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